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AutorenbildOriana Chiandusso

Wie uns die Natur bei der Selbstwahrnehmung unterstützen kann

Aktualisiert: 7. Juli 2023

In Veränderungsprozessen kommen viele Gefühle zusammen. Wenn diese gleichzeitig da sind, kann sich dies überwältigend anfühlen. Lese hier, wie uns die Natur dabei unterstützen kann, diese Wahrnehmungen zu differenzieren und wieder zu innerer Klarheit zu gelangen.

 

Kreativität in der psychologischen Arbeit

Mir ist wichtig, bei der Arbeit als psychologische Beraterin und Coach kreativ zu arbeiten, um neue Handlungsoptionen auszuprobieren und die Neuroplastizität unseres Gehirns anzuregen. In der körperzentrierten psychologischen Arbeit haben gefühlszentrierte Methoden eine grosse Bedeutung. Sie geben Sinneswahrnehmungen mehr Raum und verbinden Körper mit Geist und Seele. So gelingt es uns, Impulse für Veränderungen anzuerkennen und aus eingeschliffenen Mustern unseres Gehirns bewusst auszubrechen.


Kreativität als Mittel zur Selbstwahrnehmung

Kreativität ist somit nicht nur eine Quelle der Inspiration, sondern ein wichtiges Mittel zur Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis. Für mich sind es vor allem die stillen Momente in der Natur, die mir den nötigen Raum für Wahrnehmung und Kreativität geben. Das Flüstern des Windes in den Bäumen oder das sanfte Plätschern des Wassers, öffnen mein Bewusstsein und ermöglichen es mir, mich mit mir selbst und meinem natürlichen Sein zu verbinden. Die sensorischen Erfahrungen helfen mir, im Jetzt anzukommen und eine liebevolle, nicht-wertende Haltung anzunehmen. So kann ich meine Gedanken fliessen lassen und neugierig die unterschiedlichsten Empfindungen fühlen, die im Alltag nicht genügend Raum erhalten.


In Veränderungsprozessen kommen viele Gefühle zusammen

In Veränderungsprozessen kommen viele Gefühle zusammen. Wenn diese gleichzeitig da sind, kann sich dies überwältigend anfühlen. Erlauben wir uns, sie in einer natürlichen Umgebung wahrzunehmen, bietet uns die Vielfalt an Formen, Farben und Strukturen der Natur Unterstützung, innere Ordnung zu schaffen. Durch diese differenzierte Selbstwahrnehmung, können wir wieder zu mehr innerer Klarheit gelangen und ins Stocken geratene Prozesse können wieder fliessen.

 

Kürzlich hatte ich eine Begegnung mit einer Mohnblume

Kürzlich hatte ich in einem Naturgarten eine Begegnung mit einer Mohnblume. Die Pflanze lud mich ein, stehen zu bleiben um sie genauer zu betrachten. Da waren viele bereits verblühte Blütenstiele und ein letztes Blatt, das sich stolz aufrecht am Stiel festhielt. Neugierig begann ich meinem inneren Dialog zu lauschen und meine innere (Gefühls-)Welt zu erforschen.



Innerer Dialog mit der Blume

Als ich stehen blieb, begann der innere Dialog in mir mit der Blume: "Sieh mal, mein schönes rotes Kleid. Ich möchte das noch nicht loslassen. Ich möchte noch nicht verblühen. Wer bin ich denn, ohne dieses rote Kleid? Ich werde den Menschen nicht mehr gefallen, unscheinbar und einsam sein." - "Ja, das verstehe ich. Aber sieh mal, wie schön deine Frucht ist. Dieser Stern auf der Kapsel ist ein Kunstwerk. In ihr werden Samen reifen. Du hast noch ein langes Leben vor dir... es ist nur eine neue Phase, die beginnt. Diese wird anders sein als das bisherige, aber auch schön und erfüllend. Lass dir Zeit dazu, zu reifen. Freue dich auf das Neue und geniesse diesen Prozess".

 

Unbewusste Lebensthemen werden sichtbar

Der Dialog mit der Mohnblume hatte mich überrascht, weil ich mir diesem Lebensthema noch nicht ganz bewusst war. Ich fühle mich jung und doch verändert sich einiges schleichend. Bei der anschliessenden Reflexion wurde mir bewusst, dass ich mich tatsächlich in einem Übergang befinde. Meine Freizeitgestaltung, mein Köper, meine Rolle in der Gesellschaft - sie alle verändern sich aktuell. Die Natur ist eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, die es uns ermöglicht, uns mit unserer inneren Welt zu verbinden und sie zu erkennen. Ich fühle Dankbarkeit, dieses Thema symbolisch erkannt und inhaltlich gefühlt zu haben.


Übergänge bewusst gestalten und sinnlich kultivieren

Unser Leben ist geprägt von Übergängen und Veränderungen. Sich diesen bewusst zu werden, ermöglichst uns sie zu gestalten. Die Bewusstwerdung bedingt, dass wir unseren Wahrnehmungen den nötigen Raum geben. Unsere Sinne liefern uns unzählige Impulse dafür – kultivieren wir eine Haltung, in welcher der sinnlichen Wahrnehmung durch Achtsamkeit den nötigen Raum geben wird, bleiben wir psychisch gesund und selbstwirksam.


Ich lade dich ein, immer wieder in Ruhe durch die Natur zu wandeln, sie mit allen Sinnen wahrzunehmen und deine Gedanken und Gefühle dabei zu beobachten. Zieht es dich zu einer Pflanze hin, horche in dich hinein. Was möchte dir diese Pflanze sagen?


 

Weiterführende Erläuterungen und Links


Vor einiger Zeit durfte ich die "Tier- und Pflanzenflüsterin" Therese von Werdt kennen lernen. Sie verbindet beim Gartenflüstern individuelle Naturbegegnungen mit Meditation und spricht beim einführenden Gespräch von inneren und äusseren Sinnen, welche wir wahrnehmen. Mich hat diese Wahrnehmungs-Differenzierung sehr angesprochen und inspiriert.


Auch in der körperzentrierten psychologischen Arbeit haben emotions-gefühlszentrierte Methoden eine grosse Bedeutung. Sie werden im gestalttherapeutischen Kontext eingesetzt, geben den individuellen Sinneswahrnehmungen viel Raum und lassen sich gut mit der personenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers verbinden.


Am IKP-Symposium vom 10. Juni 2023 hat Dr. Pasqualina Perrig-Chiello bei ihrem Vortrag die Bedeutung von bewussten und gesunden Übergängen im Lebensverlauf betont und deren Gelingen mit Kreativität und Selbsterkenntnis verknüpft. Übergänge sind eine Einladung, uns wahrzunehmen und kreativ immer wieder neu zu erfinden. Wie diese Selbsterkenntnis angeregt werden kann, wollte ich im vorliegenden Artikel darlegen. Die Begegnung mit der Mohnblume erzählte mir von Angst vor dem Verlust ihrer prächtigen Blüte und dem Ausbleiben von Bewunderung. In meinem inneren Dialog erkannte ich, dass auch die Frucht der Mohnblume Schönheit in sich trägt. Dieses Erkennen half mir dabei, meine eigene Angst vor Veränderung anzunehmen und zu schätzen.


Dr. Maja Storch berichtete am IKP-Symbosium von der Kommunikation zwischen Menschen und betonte dabei die Wichtigkeit der körperlichen Synchronie, um sich besser zu verstehen. In bildhafter Veranschaulichung und zahlreichen einfachen Alltagsbeispielen vermittelte sie einen Auszug aus dem Konzept der «Embodied Communication». Ich bin immer wieder beeindruckt, wie sehr uns Symbole, Bilder, Formen und Gestalten auch bei der Kommunikation mit uns selbst unterstützen können.


Unser Leben ist voller Veränderungen und Prozesse, welche durch Gefühle und Energien im Fluss bleiben. Wir kommen jedoch im Alltag immer wieder in Situationen, in welchen diese schwer sind in Worte zu fassen und differenziert wahrzunehmen. Dies kann sich verwirrend anfühlen. Die Arbeit im Naturgarten ist eine achtsame Arbeitsweise, die uns bei Reflexion und Prozessarbeit unterstützt. Die Natur lädt uns ein, Sinneswahrnehmungen Raum zu geben, um authentisch die eigenen Themen zu erkennen und damit in Dialog treten.


Der Stiftsgarten ist ein Paradies der Biodiversität inmitten der Altstadt Bern und eignet sich aus meiner Sicht ganz besonders für diese innere Arbeit.

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